Der AWO Bezirksverband Weser-Ems macht mit nachdrücklichen Aktionen auf Flucht und Migration aufmerksam.
Was, wenn Krieg und Katastrophen plötzlich über uns kämen? Was, wenn wir schlagartig das Land verlassen müssten? Was, wenn unsere einzige Option zur Flucht die Nordsee wäre? Mit ihren „100 Booten", einem ganz besonderen Kunstprojekt, machen Verbände, Einrichtungen und Gruppen im AWO Bezirk Weser-Ems auf die Themen Flucht und Migration aufmerksam – zu einem Zeitpunkt, in dem das soziale Miteinander immer mehr vor die Zerreißprobe gestellt wird. Zahlreiche Menschen setzen zur Solidarität mit Menschen auf der Flucht die Segel.
Kreise und Einrichtungen beteiligen sich an Solidaritäts-Projekt
Nach unten falten, nach oben klappen, hier drücken, dort ziehen – fertig: Es ist zwar nur ein Papierschiffchen, das mehrere Kreisverbände in den vergangenen Tagen angeliefert bekommen haben, dennoch steht es für so viel mehr als bloß etwas nette Origami-Bastelei im XXL-Format. Das rund fünf Meter lange und knapp eineinhalb Meter hohe Boot ist Teil des sozialkritischen Kunstprojektes „100 Boote – 100 Millionen Menschen", initiiert von der AWO Ehrenamtsakademie Sachsen-Anhalt. Für die Region zwischen Nordsee und Osnabrücker Land hat Karin Koll die Projekt-Federführung. „Die Bereitschaft, sich gegen Ausgrenzung zu engagieren und so nachhaltig Solidarität mit Menschen auf der Flucht zu zeigen, ist in unseren Verbänden enorm", sagt die Verbandskoordinatorin des AWO Bezirksverbandes Weser-Ems, „von außergewöhnlichen Kunstaktionen über spannende Videoprojekte bis hin zur aktiven Einbindung der Betroffenen selbst, stellt sich die AWO hier in der Fläche breit auf und demonstriert, was in Gemeinschaft bewirkt werden kann."
Rund 400 Kilometer haben die XXL-Boote, die seit Wochenbeginn von Karin Koll und Thore Wintermann (Vorstand Verband und Politik im AWO Bezirksverband Weser-Ems) in der Region ausgeliefert worden sind, bereits zurückgelegt – dies allerdings ausschließlich über den Landweg. Noch sind die meisten Boote strahlend weiß, dies wird sich in den kommenden Wochen jedoch deutlich ändern. „Unser Wunsch ist, dass die Menschen in den regionalen Kreativhäfen ihre Botschaften gut sichtbar auf die Papierschiffe bringen", sagt Wintermann, „schließlich sollen auch all jene Bürgerinnen und Bürger, die aktuell möglicherweise noch nicht allzu viel mit den Themen Flucht und Migration anzufangen wissen, aufmerksam gemacht und über die tatsächliche Lage der Flüchtenden aufgeklärt werden".
Auch der Bezirksverband selbst beteiligt sich mit verschiedenen Projekten – bei der großen Bezirkskonferenz am 9. März in Papenburg planen die Auszubildenden vor den Vertretungen aus Weser-Ems eine Aktion, die Verwaltung in Oldenburg wird gesondert eingebunden, zudem sind Künstlerinnen und Künstler der Region zum Mitmachen eingeladen. Nicht zuletzt können Interessierte auch außerhalb der jeweils geplanten Veranstaltungen und Aktionen teilnehmen, so ihre Solidarität zeigen – ob nun ganz privat als Einzelperson, im Kreis der Familie, als Team eines Sportvereins, Kita-Gruppen oder Schulklassen und so weiter und so fort: Der AWO Bezirksverband Weser-Ems stellt allen Engagierten dazu einen Bastelbogen fürs Papierschiff (allerdings im etwas praktischeren Kleinformat) und die entsprechende Bauanleitung zum Download zur Verfügung.
FAQ: 100 Boote – schnell erläutert
Nach Schätzungen des UNHCR (UN-Flüchtlingskommissariat) waren Ende 2022 weltweit mehr als 100 Millionen Menschen auf der Flucht. Sie verlassen ihre Heimat, Verwandte und Freund*innen, weil sie aus politischen, religiösen, sozialen, geschlechtsspezifischen oder ethnischen Gründen verfolgt werden oder durch Kriege, Konflikte und Katastrophen um ihr Leben fürchten. Ihre Wege sind verworren und lebensgefährlich, das Ankommen im neuen Zuhause selten einfach. An ihren Zielorten sind die Geflüchteten oft auf umfangreiche Unterstützung angewiesen. Derweil wird das politische und gesellschaftliche Klima gegenüber Geflüchteten in vielen europäischen Ländern zunehmend rauer. Die fragilen Boote stehen hier symbolisch für die gefährliche Flucht, die oftmals über das Meer erfolgt.
Im Spätsommer 2023 hat die AWO Ehrenamtsakademie Sachsen-Anhalt mithilfe zahlreicher Bürgerinnen und Bürger 100 XXL-Boote in sogenannten „Engagementwerften" und unter anderem in der Gedenkstätte Deutsche Teilung Marienborn vorgefaltet. Im Anschluss wurden diese Boote interessierten AWO Verbänden im ganzen Land zur weiteren „seetauglichen" Ausgestaltung geliefert. „Kreativhäfen" wie eben in der Region Weser-Ems sorgen mit Unterstützung von Künstler*innen und Kooperationspartnern dafür, dass die „Bootschaften" zu echten Hinguckern werden.
Die Aktionen in der Region sind zwar bedeutend, aber dennoch ein Zwischenschritt. Tatsächlicher Zielhafen der Boote ist Berlin – final sollen hier am Weltflüchtlingstag, 20. Juni 2024, alle Boote für ein beeindruckendes Bild auf dem Platz der Republik aufgestellt werden. Dort wirken sie hoffentlich und nachhaltig als markanter Aufruf an Politik und Gesellschaft, sich für Menschen auf der Flucht einzusetzen, mindestens aber solidarisch zu zeigen.
Die wichtigsten Informationen zu den regionalen Aktivitäten und Beteiligungsmöglichkeiten gibt es direkt beim jeweiligen Verband. Unter dem Hashtag #100boote berichten überdies Beteiligte aus ganz Deutschland in den Sozialen Medien über ihre Fortschritte und Ideen, zeigen dort Fotos und Videos. Regelmäßige Zusammenfassungen, Highlights und weitere Hintergründe gibt es unter anderem auf Instagram unter dem Profil https://www.instagram.com/awo_100_boote/
Ehrenamtliches Engagement und die Einbindung in AWO Aktivitäten wie dieser ist an vielen Stellen nicht nur möglich, sondern auch erwünscht. Da es sich nicht um eine ausschließlich AWO interne Aktion handelt, sondern ganz bewusst ehrenamtlich Engagierte einzubinden versucht, zudem bis zum Abschlusstermin der 100-Boote-Aktion in Berlin viele weitere Veranstaltungen geplant sind, können sich auch interessierte Nicht-AWO-Mitglieder gern an den Verband/Verein vor Ort wenden und mögliche Beteiligungen, Kooperationen und etwaige Unterstützungsmöglichkeiten abklären. Weitere Ideen und Visionen sind willkommen.
Die Förderung eines sozialen und solidarischen Europas, aber auch von Perspektiven und Chancen für alle Menschen, eine starke Zivilgesellschaft und nicht zuletzt die Stärkung von sozialen Dienstleistungen wie der Daseinsvorsorge sind Forderungen der AWO, insbesondere an die Europäische Union. Die EU darf als einmaliges Friedensprojekt nicht durch rechtspopulistische und nationalistische Strömungen aufs Spiel gesetzt werden. Ziel ist ein soziales Europa, das Vielfalt, Zusammenhalt und Solidarität lebt und niemanden zurücklässt. Ein wichtiger Teil ist dabei die Neugestaltung der europäischen Flüchtlingspolitik, die mehr Solidarität unter den Mitgliedsstaaten, die Finanzierung von Integrationsmaßnahmen und die Einhaltung der Genfer Flüchtlingskonvention vorsieht und einfordert.