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Mit Kerzen von Herzen: Hübscher packt


19. September 2025

Langjährige Leiterin des Jugendmigrationsdienstes in Meppen geht in den Ruhestand / Lisa Wenzel setzt wertvolle Integrationshilfe fort

MEPPEN. „Es ist noch ein langer Weg bis zu einer Integration zurückzulegen", hieß es mal in einem Meppener Zeitungs-Kommentar. Auch, dass der Einsatz von Freiwilligen und sozialen Verbänden unverzichtbar sei, stand dort geschrieben. Und: „Darauf sollte die Politik reagieren, indem sie in ihrer Unterstützung der Integrationsarbeit nicht nachlässt." Das liegt nun etwa ein Jahrzehnt zurück, der Blick auf den Status Quo im ganzen Land ist ambivalent. Fortschritte bei der Arbeitsmarktintegration sind das eine. Doch die insbesondere aufgrund reaktiver Politik verpassten Chancen im strukturellen und sozialen Bereich wirken ausgrenzend. Findet auch Lilia Hübscher.

Die 66-Jährige leitet den Jugendmigrationsdienst der AWO Weser-Ems in Meppen. Und auch wenn es hier in der Ems-Stadt tatsächlich „sehr gut bei der Zusammenarbeit zwischen Stadt und Trägern" laufe, so sind die Sorgen aller Beteiligten nicht wegzudiskutieren. „Es ist wichtig, dass wir nicht wegschauen", sagt Hübscher, „denn die Menschen brauchen uns. Sie wollen hier leben, aber sie wissen oft nicht, wie sie hier leben sollen. Das müssen wir ihnen nahebringen." Die Spätaussiedlerin (seit 1993 in Meppen) hat genau das 31 Jahre lang gemacht – junge Menschen an die Hand genommen und nicht einfach „deren Visionen übernommen, sondern sie in und durch die Realität geführt", wie sie sagt, „je nach Mentalität und Nationalität". Wenn Lilia Hübscher an diesem Freitag nun während einer kleinen Feier im Café International verabschiedet wird, dann werden ganz bestimmt sehr viele dieser langjährigen Wegbegleiter*innen dabei sein. „Menschen aus Syrien, Afghanistan, Russland, der Ukraine und viele andere Nationalitäten", zählt sie dann auf, „– wenn ich mit meinem Enkel durch die Innenstadt gehe und sie alle mich so lieb grüßen, dann sagt er immer, dass es ‚total peinlich' mit mir sei. Aber ich finde das toll – viele von ihnen sind in der ganzen Zeit einfach zu echten Freunden geworden."

Meilensteine, Erinnerungen und Zeichen der Wertschätzung hat Hübscher bereits mehr als genug in ihre Kartons gepackt. Neben alten Zeitungsberichten und Fotos findet sich da unter anderem ein selbstbemalter iranischer Glaspokal, ein ukrainisches Vyshyvanka, ein afrikanisches Kleid, ein paraguayischer Glücksbringer und Kerzen in verschiedensten Formen und Farben. „So viele wunderbare Geschenke, die alle besondere Bedeutung für mich haben", sagt sie, „zumal ich bei allen weiß, was aus den dazu gehörenden Personen geworden ist, darunter Ärzt*innen und Anwält*innen. Sie alle waren bei mir in der Jugendgruppe. Ich musste sie nie suchen, sie kamen dank der Community zu mir."

Auch wenn Lilia Hübscher nun in den Ruhestand wechselt, bleibt der Jugendmigrationsdienst in Meppen erhalten – zwar mit neuem Gesicht und gewiss auch mit neuen Verbindungen, aber eben auch mit der bewährten Ausrichtung. „Wir werden als AWO weiterhin alles dafür tun, dass die Integration erfolgreich sein kann und die Chancen dazu systematisch erhöht werden – hier vor Ort, aber auch in ganz Deutschland", sagt Bereichsleiterin Katharina Garves, „denn das gelingt nur, wenn die Bundespolitik für eine auskömmliche Finanzierung der Beratungsstellen sorgt – und die Probleme endlich angeht. Wie es funktionieren kann, hat Lilia Hübscher über Jahrzehnte vorgemacht." Klar, dass Lisa Wenzel, ihre Nachfolgerin ab Oktober, hier ganz eigene Akzente setzen wird – dies aber natürlich alles im Sinne der AWO Werte Freiheit, Gleichheit, Gerechtigkeit, Solidarität und Toleranz.

Dass Lilia Hübscher dabei nicht immer ganz pflegeleicht war, haben viele Menschen in dieser Zeit feststellen müssen. „Ja, ich war rigoros und oft auch fordernd – aber das alles immer für den guten Zweck. Alle wussten immer, woran sie waren und ich wusste, was ich jedem Einzelnen zumuten kann. Wenn ich zurückspulen müsste, würde ich das alles wohl noch einmal ganz genau so machen. Ich bin ein glücklicher Mensch."

In den letzten Tagen ihrer Dienstzeit wische sie nun „alle Spuren und meinen ganzen Staub weg, damit neuer Wind einziehen und die Nachfolgerin hier mit Spaß starten kann!". Und so packt sie also weiter ihre Kartons. Die Tücher, die Fotos, die Kerzen. Und dann findet sie auch noch ein gesplittertes Holzbrett. „Das habe ich mal bei einem Selbstverteidigungskurs durchbrochen. Wenn es mir mal schlecht ging, hat es mich immer daran erinnert, dass man alles schaffen kann." Auch als Neubürgerin im fremden Land.

Weitere Infos zu und über Lilia Hübscher, die jüngst auch vom AWO Kreisverband Emsland für ihr herausragendes Engagement geehrt wurde (siehe 30 Jahre Mitarbeiterin der AWO im Dienst der Menschen AWO würdigt herausragendes Engagement von Lilia Hübscher - AWO Lingen e.V.), finden Sie unter diesem Link: Beratungs-Kahlschlag? „Verlust wäre gesellschaftlich nicht aufzufangen"

Der AWO Bezirksverband Weser-Ems ...
... bietet mit seinen über 4000 Mitarbeitenden zwischen Nordsee und Osnabrücker Land soziale Dienstleistungen in rund 80 Einrichtungen rund um Pflege, Kinderbetreuung, psychosoziale Teilhabe und Beratung an. Alle Infos: https://www.awo-ol.de/ 

Die Arbeiterwohlfahrt ...
...gehört zu den sechs Spitzenverbänden der Freien Wohlfahrtspflege. Bundesweit wirken in ihr über 300.000 Mitglieder, mehr als 72.000 ehrenamtlich Engagierte und 242.000 hauptamtliche Mitarbeiter*innen, um in unserer Gesellschaft bei der Bewältigung sozialer Probleme und Aufgaben mitzuwirken und den demokratischen, sozialen Rechtsstaat zu verwirklichen.

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