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Kleiderflohmarkt „für mentale Stärke“ bringt 1050 Euro


02. Oktober 2025

16-jährige Carolin Lewedag organisiert über Miinter ihr Herzensprojekt / Kompetenzzentrum, Wohnanlage und Beratungsstelle der AWO beteiligt

RASTEDE/WIEFELSTEDE. Die Jugend ist orientierungs- und antriebslos? Von wegen. Carolin Lewedag hat mit 16 Jahren vorgemacht, was mit Engagement und Ehrenamt gesellschaftlich möglich ist. Mit einem selbst organisierten Kleiderflohmarkt in Rastede, marginal unterstützt von der Beratungsstelle für Freiwilligendienste ebenda, hat die junge Frau eine „Spende für mentale Stärke" in Höhe von 1050 Euro eingespielt. Dieses Geld hat sie nun der AWO Wohnanlage am Mühlenhof, einer sozialpsychiatrischen Einrichtung für Menschen mit einer seelischen Behinderung, übergeben.

„Ich möchte gebrauchte, aber intakte Kleidung und Objekte als freiwillige Spende sammeln, um diese auf einer Art Flohmarkt zu verkaufen", hieß es in einer Projektidee auf der Plattform Miinter – dort hatte Carolin Lewedag für ein Schulprojekt nach Unterstützung zunächst eigentlich in Oldenburg gesucht. Ein möglicher Erlös sollte Menschen mit psychischen Problemen unterstützen und bei der Entstigmatisierung von psychischen Erkrankungen helfen. So war der Plan.

Gefunden hat sie mit und in Anne Brandt dann schnell die Beratungsstelle für Freiwilligendienste. Die Leiterin der AWO Einrichtung an der Mühlenstraße war gleich Feuer und Flamme, band ihr Team entsprechend ein. „Wir haben sie ja nur ein wenig gecoacht", sagt da Hauke Schmidt von der Beratungsstelle heute. Er hatte Carolin Lewedag durch den herausfordernden Prozess begleitet. „Als 16-jährige Schülerin kannst du keine Kosten vorschießen und Verträge abschließen, auch musste geklärt werden, wo die Kleiderspenden angenommen werden, wer beim Sortieren hilft, wie gewährleistet wird, dass es überhaupt genügend Spenden gibt und was mit übriger Kleidung geschehen soll", so Schmidt zu den Hürden, „das sind ganz viele Fragen, die sich im Laufe der Gespräche ergeben haben und die sich ohne Team kaum lösen lassen". Schlussendlich lag die Lösung aller Probleme nah: Lewedag wurden die Räumlichkeiten im Kompetenzzentrum angeboten, ihr eine Zusammenarbeit mit der Wohnanlage und dem Projekt „Teilhabe" vorgeschlagen. So gab es die Möglichkeit, dass auch Bewohner*innen aktiv an der Vorbereitung und Durchführung des Flohmarktes teilnehmen und somit auf gleich mehreren Wegen partizipieren konnten.

Dass der „Flohmarkt für mentale Stärke" plötzlich zum Selbstläufer würde – damit hatte hier niemand gerechnet. Unternehmen in Rastede, die man um Aushang der Ankündigungsflyer bat, spendeten plötzlich selbst hochwertige Neuwaren. Und in der Einrichtung wuchsen mit jeder weiteren Kleiderspende und jedem weiteren Direktaustausch mit der Nachbarschaft Vorfreude und Engagement erheblich. Alles lief so gut, dass man nun schon trotz aller Anspannung auf einen Verkaufserlös von bis zu 400 Euro hoffte.

Dass Carolin Lewedag nun – ein paar Wochen nach dem großen Verkaufstag – eine Spende von gleich 1050 Euro in die Wohnanlage am Mühlenhof bringen konnte, hat alle Beteiligten überrascht und begeistert.

Wolfgang Plöger und Claudia Beckmann von der Bewohner*innen-Vertretung überreichten ihr zum Dank einen großen Blumenstrauß, Beifall gab's aus der Runde reichlich. Auch für die Hilfe der Mitarbeitenden in der Beratungsstelle. „Manchmal sind Wege zu weit, hier aber war es optimal – da unseren Klient*innen der Zugang ermöglicht wurde", sagte Einrichtungsleiterin Denise Neßmann. Und Marcel Wolter (Tagesstruktur) ergänzte: „Nicht zuletzt war es ein wichtiger Baustein im Rahmen unseres Teilhabe-Projektes, genau das ist die Vernetzung im und mit dem Ort, die wir benötigen und die allen Beteiligten hilft."

Das Geld geht nun in die gemeinschaftliche Bewohner*innen-Kasse, aus der im Bedarfsfall untereinander Unterstützung geleistet, zur Not vielleicht auch mal etwas „gegönnt" wird. „Wir freuen uns zur Weihnachtszeit hier im Haus immer über Schoko-Nikoläuse", sagt Wolfgang Plöger, „und wenn diese nicht über Spenden von außen zu uns kommen, können wir sie uns dann vielleicht aus dieser Kasse leisten".

3 Fragen an Anne Brandt
(Leiterin der Beratungsstelle für Freiwilligendienste)

Was macht Miinter so besonders?

Brandt: „Das Zusammenbringen von Unternehmen und jungen Menschen, außerhalb des schulischen Lernens, finde ich sehr attraktiv. Und: Die Wohlfahrtsverbände in Niedersachsen sind große Arbeitgeber. Viele Jugendliche wissen gar nicht, wie vielfältig die Arbeit in Wohlfahrtsorganisationen ist und dass es dort nicht nur soziale oder hauswirtschaftliche Berufe, sondern auch viele andere spannende Jobs – zum Beispiel in der Verwaltung, in der Technik, der IT oder im Bereich Immobilien – gibt. Das Projekt gibt Schüler*innen die Chance, diese Arbeitswelt und die Arbeitsweise kennenzulernen."

Was sind denn die tatsächlichen Vorzüge für junge Menschen?

Brandt: „Dass sich die Schüler*innen ihr Projekt selbst ausdenken und erarbeiten können – denn wenn man etwas tun kann, das einem selbst Freude bereitet, geht man doch mit einer ganz anderen Motivation an die Sache!"

Welchen echten Nutzen hat das Projekt für die Freie Wohlfahrtspflege?

Brandt: „Auch wenn einiges an Know-how der Unternehmen einfließt, so ist es immer noch das Projekt der Schüler*innen. Eben dies aus der Ferne zu begleiten und zu sehen, wie es wächst, macht wirklich Freude. Aber jenseits vom altruistischen Gedanken, schlägt es vor allem eine Brücke zwischen jungen Menschen und Einrichtungen, die im Alltag eher eine Schwellenangst hervorrufen. Wir kennen das von anderen Unternehmenskooperationen. Da werden von jungen Menschen zuallererst die Kindergärten für ein Projekt ausgewählt. Von der Altersgruppe sind sie noch nicht so weit entfernt, das ist niedrigschwellig. Im vorliegenden Projekt aber wurde die Schülerin unterstützt von Menschen, die in einer Wohnanlage für seelische Beeinträchtigte leben. Das ist gelebte Inklusion!"

WEITERE INFORMATIONEN ZUM THEMA

Miinter – Volunteer Mining...
... ist eine von der Europäischen Union kofinanzierte Plattform, auf der Menschen zu gemeinsamem Handeln bewegt und der Zusammenhalt der Welt gefördert werden sollen. Miinter verbindet hochmotivierte Schüler*innen mit Unternehmen und Vereinen und macht es so möglich, dass beide Seiten entspannt und gleichermaßen kreativ in Kontakt treten und sich gegenseitig persönlich kennenlernen. Dabei richten sich die Unternehmen auf die Lebenswelten der jungen Menschen aus. So wird Schüler*innen ermöglicht, auf spielerische und VR-unterstützte Weise selbstbestimmt soziale Projektideen zu entwickeln. Dabei werden interessenbasierte Ansätze genutzt, um gemeinsam mit engagierten Unternehmen und Vereinen der jeweiligen Region die Ideen umzusetzen. Mehr Infos unter www.miinter.org 

Der AWO Bezirksverband Weser-Ems ...
... bietet mit seinen über 4000 Mitarbeitenden zwischen Nordsee und Osnabrücker Land soziale Dienstleistungen in rund 80 Einrichtungen rund um Pflege, Kinderbetreuung, psychosoziale Teilhabe und Beratung an. Alle Infos: https://www.awo-ol.de/ 

Die Arbeiterwohlfahrt ...
...gehört zu den sechs Spitzenverbänden der Freien Wohlfahrtspflege. Bundesweit wirken in ihr über 300.000 Mitglieder, mehr als 72.000 ehrenamtlich Engagierte und 242.000 hauptamtliche Mitarbeiter*innen, um in unserer Gesellschaft bei der Bewältigung sozialer Probleme und Aufgaben mitzuwirken und den demokratischen, sozialen Rechtsstaat zu verwirklichen.

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