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Berührende Aktion in AWO Einrichtungen zwischen Nordsee und Osnabrücker Land


22. Mai 2025

Senior*innen malen und beschreiben Gefühle des Alleinseins / Themen-Pageflow und weitere On- wie Offline-Aktivitäten

NIEDERSACHSEN. Schwarz und grau die Striche, Wirrwarr, Kälte, Leere im Gefühl: Einsamkeit und Alleinsein sind schwer in Worte zu fassen, noch schwieriger in Bildern zu beschreiben. Zahlreiche Bewohner*innen von AWO Einrichtungen zwischen Nordsee und Osnabrücker Land haben sich dennoch daran versucht – und tatsächlich beeindruckende Dokumente erschaffen. Mit ihnen will die AWO Weser-Ems nun in der gesamten Region auf das Tabu-Thema aufmerksam machen, gleichsam Hilfen aufzeigen und gegenwirken.

„Im Alltag bemühen wir uns ja insbesondere, lähmende Gedankenspiralen zu durchbrechen und positive Momente für die Bewohner*innen zu produzieren", sagt Anja Härtel, bei der AWO Weser-Ems Referentin für Betreuung und Ergotherapie, „sie jetzt aber gerade mit diesen doch eher vertrauten traurigen Eindrücken zu konfrontieren und aktiv damit auseinandersetzen zu lassen, hat auch uns nachhaltig beeindruckt. Die Rückmeldungen sind jedoch allesamt sehr positiv – und die Ergebnisse könnten nicht nur bei Beteiligten und Angehörigen, sondern vielleicht ja auch im weiteren Umfeld ein Umdenken anstoßen."

Denn was die Bilder und Sätze zeigen, ist weit mehr als eine bloße hobbykünstlerische Aufbereitung. Sie sind ein Einblick in ganz subjektive Empfindungswelten, Momente der Tristesse – aber auch der Hoffnung auf den Wandel. „Der Kopf ist LEER. Ich bin traurig, kein Interesse, ich bin müde", hat Heinz Döring (88) in Wilhelmshaven auf eine Leinwand gemalt. Gunhild Voigt aus Leer malte sich selbst auf einer Parkbank mit Blick in die Ferne, alles in Schwarz und Weiß, und schreibt dazu: „Keiner kennt den Anderen. Jeder ist allein." Therese im AWO Wohnzentrum Esens, immerhin schon 90 Jahre alt, hätte zwar nichts gegen eine weitere Person auf ihrem Zimmer, benötige aber auch „viel Luft um mich herum".

Abgeschoben, am Boden – aber auch mehr Nähe zu sich selbst

Manche fühlen sich von „meiner Familie abgeschoben", andere wünschen sich, „einfach mal in den Arm genommen zu werden" oder gar nicht „mehr an den Boden gebunden" zu sein. Es sind Bilder und Worte, die oftmals keiner Interpretation bedürfen, die voller Klarheit wiedergeben, wie dieses Gefühl der Einsamkeit auf Herz und Kopf einwirkt. Dann gibt es aber auch jene, die sich mit und in ihrem Leben arrangiert haben, sogar positive Seiten entdecken. „Ich bin von vielen Menschen umgeben, die es gut mit mir meinen und immer ein liebes Wort für mich haben", schreibt Bärbel. Ingeborg verweist auf die wohltuende Stille im Wald, und im Marianne-Sternberg-Haus haben gleich mehrere Bewohner*innen für sich festgestellt, dass die Ferne von früherem Leben und Erfahrungen auch mehr Nähe zu sich selbst bedeuten mag.

So wie hier in Jever haben sich Senior*innen in nahezu allen Pflegeeinrichtungen der AWO Weser-Ems an der Aktion beteiligt und ihre Eindrücke festgehalten – wohlwissend, dass ihre Arbeiten der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden sollen. Hier nutzten manche eben stille Momente für sich zur Auseinandersetzung mit dem Thema, dort hingegen kamen gleich große Gruppen zusammen, um gemeinsam über Einsamkeit zu sprechen – oder Projekte in Gemeinschaft umzusetzen. So eine riesige Wand aus Zeitungsschnipseln und eigenen Gedankenspielen in Jever, so eine Collage im Emder Gezeitenhaus (zusammen mit jungen Menschen am Zukunftstag erstellt), so aber auch im Wilhelmshavener Pauline-Ahlsdorff-Haus, wo Bewohner*innen des geronto-psychiatrischen Bereichs einen herbstlichen Baum mit Blättern aus Empfindungen gemalt hatten. „Ich finde es schön und wichtig, dass man den Menschen hier die Möglichkeit gibt, ihr Erwachsensein zum Ausdruck zu bringen – gerade wenn es um emotionalere Lebensthemen geht, die vielleicht auch belastend sind", sagt Mitarbeiterin Julia Dräger, „alles, was ein bisschen Aufwand für sich selbst erfordert, fällt den Menschen schwer, das braucht seine Zeit. Und das passiert im Alltäglichen leider nicht so oft."

Gründe für Einsamkeit

Das jüngste Einsamkeitsbarometer der Bundesregierung, aber auch andere renommierte Studien zum Thema sehen insbesondere in der „Pluralisierung von Lebensformen" einen Grund für wachsendes Einsamkeitsempfinden in der heutigen Gesellschaft. Sprich: Immer weniger Menschen bewegen sich in gefestigten sozialen Netzwerken – von der Familie über Vereine bis zu kirchlichen Institutionen, doch auch über Soziale Medien und digitale Angebote, die den persönlichen Kontakt vielfach ersetzen, gingen demnach Bindungen verloren. Neben den schleichenden Aspekten gibt es akute Schicksalsschläge, die jeden Menschen in die Einsamkeit führen können, dazu gehören unter anderem Krankheit oder Arbeitslosigkeit, auch der Verlust einer geliebten Person. Damit ist auch klar: Obwohl Einsamkeit vor allem bei älteren Generationen vermutet wurde, sind vermehrt jüngere Menschen betroffen. Die AWO Weser-Ems bietet daher nicht nur den Menschen in ihren Einrichtungen Stütze und Leitplanken fürs Leben, sondern auch der Gesellschaft im kleinen wie im größeren Rahmen – so beispielsweise in den zahlreichen engagierten Kreis- und Ortsverbänden mit offenen Angeboten, gemeinsamen Aktivitäten und Austausch, aber auch Beratung.

Weitere Angebote

„Was unsere Mitarbeitenden hier in den AWO Einrichtungen eigenständig auf die Beine gestellt haben, ist absolut beeindruckend, vor allem aber sehr berührend", sagt Thomas Elsner, Vorstandsvorsitzender der AWO Weser-Ems. „Gleichwohl sind wir ungemein stolz, wie viel Herz und Engagement sie zusätzlich zur alltäglichen Belastung in dieser herausfordernden Zeit immer wieder für unsere Bewohnerinnen und Bewohner an den Tag legen. All das zeigt auch, wie wertvoll diese Angebote sind und wie ungemein bedeutend diese auch in Zukunft sein werden. Hier müssen wir als Gesellschaft noch genauer hinschauen und uns gegenseitig stützen – aber auch die Politik immer wieder an ihre Verantwortung erinnern."

Dem Thema Einsamkeit widmet sich die AWO Weser-Ems aktuell mit Aktionen, Online-Themenwochen (Instagram: #heyeinsamkeit) und einer Multimedia-Seite. Diese sogenannte „Pageflow" gibt einen sehr persönlichen Eindruck der internen und externen Angebote für vom Alleinsein betroffene Personengruppen zwischen Nordsee und Osnabrücker Land. Darin enthalten: die bewegenden Ergebnisse der Mal- und Schreibaktionen in Wohnzentren und Pflegeeinrichtungen, dazu rührende Geschichten, zahlreiche Umsetzungen der Vor-Ort-Ideen gegen das Alleinsein, Interviews mit Mitarbeitenden und Sozialminister Dr. Philippi, außerdem besondere Momente zum Hören und Klicken. Erfahren Sie, wie man im höheren Alter noch Liebe finden kann, wie Sprachstörungen schon Kinder vereinsamen lassen und erleben Sie Tiere in den Einrichtungen. Dazu gibt's Zahlen und Studien, alles unter https://awoweserems.pageflow.io/einsamkeit 

INFORMATIONEN ZUM THEMA

Spannende Studien zur Recherche

Der AWO Bezirksverband Weser-Ems ...
... bietet mit seinen weit über 4100 Mitarbeitenden zwischen Nordsee und Osnabrücker Land soziale Dienstleistungen in rund 80 Einrichtungen rund um Pflege, Kinderbetreuung, psychosoziale Teilhabe und Beratung an. Als politischer Verband vertritt dieser die Interessen der Menschen in der Region und setzt sich für eine demokratische und gerechte Gesellschaft ein. Beteiligungs- & Spendenmöglichkeit: https://www.awo-ol.de/Aktuelles-Presse/Spenden/ 

Die Arbeiterwohlfahrt ...
...gehört zu den sechs Spitzenverbänden der Freien Wohlfahrtspflege. Bundesweit wirken in ihr über 300.000 Mitglieder, mehr als 72.000 ehrenamtlich Engagierte und 242.000 hauptamtliche Mitarbeiter*innen, um in unserer Gesellschaft bei der Bewältigung sozialer Probleme und Aufgaben mitzuwirken und den demokratischen, sozialen Rechtsstaat zu verwirklichen. Mehr zu Jobs und Menschen: https://www.awo-ol.de/Aktuelles-Presse/Podcast/

 

Hier finden Sie das Aktionsvideo:

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